Ich habe mich ehrlich bemüht, bei diesem Social TV mal mitzumachen. Der Hype um den ersten Tatort mit Til Schweiger bot sich dafür geradezu an. Was für ein Stress! Den nächsten Krimi schaue ich mir allein an. Allenfalls das Bügelbrett darf mitspielen.
Ich war neugierig und guten Willens. Fernseher an. Notebook auf den Schoß. Twitter auf und noch ein Liveticker auf welt.de. Schon vor der Sendung schwoll die Zahl der Tweets zum Hashtag #tatort an und war nicht mehr zu bewältigen.
Lesen oder fernsehgucken?
Ich entschied mich zunächst für Infos aus erster Hand. Also den Film. Und schielte auf die Timeline. Zack. Schon wieder haufenweise Tweets. Hätte ich sie durchgescrollt, wäre mir die angekündigte Ballerei durch die Lappen gegangen.
Da war wohl gerade kein Mordopfer zur Hand. Der Kommissar besorgt sich seine Leichen selbst. #tatort
— Ilse Mohr (@IlseMohr) 10. März 2013
Quelle: https://twitter.com/IlseMohr/status/310833389785714688
Fernsehgucken oder twittern?
Ich ignoriere also die Timeline und konzentriere mich auf den Film und meinen eigenen Senf. Während ich schreibe, verpasse ich die nächste Sequenz. Und sehe, dass ich schon wieder mit hundert Twitterern kommunizieren könnte.
Twittern oder kommunizieren?
Das iPhone plingt. Es gibt erste Favs. Ich fühle mich schlecht, weil ich selbst keine Zeit dafür habe. Ich muss erst wieder Anschluss an den Film finden. Da fällt mir schon wieder etwas dazu ein. Was passiert überhaupt gerade auf dem Liveticker? Ich weiß gar nicht, was ich zuerst machen soll.
„Kann man mit lauwarmen Leichen noch was machen?“ Lasagne? #tatort — Ilse Mohr (@IlseMohr) 10. März 2013
Quelle: https://twitter.com/IlseMohr/status/310837661202018304
Kommunikation oder Krimi?
Die Tweets der anderen gehen in die Hunderte. Sie zu lesen, zu kommentieren, zu retweeten würde länger dauern als der Film. Meine Interaktion wird zur Einbahnstraße. Mit der geteilten Aufmerksamkeit zwischen Film und Twittern bin ich voll ausgelastet.
Konsum oder Community?
Ich bin der Idee des Austauschs beim Fernsehgucken nicht gerecht geworden. Und dem Krimi erst recht nicht. Beim Bemühen mitzuwittern riss mir dauernd der Spannungsfaden, der Plot zerfiel in Bruchstücke. Ich habe vereinzelte Menschen erreicht. Aber mich hat niemand erreicht.
@ilsemohr @a_rickmann Wir zählen die Tweets/RTs unterschiedlicher Nutzer zum Thema: Über 10.000 Nutzer haben zum Thema #tatort getweetet
— Torsten Mueller (@mundustorsten) 11. März 2013
Quelle: https://twitter.com/mundustorsten/status/311077266249625600
Zwitscherstress oder Thrill?
Ich mag Krimis. Wenn sie gut sind, genieße ich den Thrill; sind sie schlecht, schalte ich ab. Aber Hunderte von Tweets während des Films empfinde ich als Stress pur. Den Liveticker habe ich erst nach der Sendung in Ruhe gelesen. Als wirklich informativ und hilfreich empfinde ich meine Timeline jedoch, wenn ich den Fernseher nicht anhabe. Dann weiß ich immer schnell: Da lohnt sich jetzt das Einschalten. Oder, ich kann es mir getrost ersparen.
Rückkanal oder Ruhekissen?
Wie die aktive Einbindung von Zuschauern in eine laufende Sendung funktionieren kann, bei der es tatsächlich um Meinungsaustausch und Diskussion geht, hat uns beispielhaft das Experiment des Bayerischen Rundfunks mit der rundshow gezeigt. Das fand ich faszinierend. Mit einer Flutwelle von Tweets während eines Unterhaltungsfilms fühle ich mich überfordert.
Ihr wollt jetzt noch wissen, wie mir der Schweiger-Tatort gefallen hat? Ich weiß es nicht so recht. Müsste ich mir mal in Ruhe anschauen.
Links:
Christian Jakubetz über Social TV, Smart TV oder Second Screen
Der Blog zur rundshow
Daniel Fiene über das Experiment des Bayerischen Rundfunks
Der Liveticker von Carline Mohr auf welt.de