Flucht vor der Familie 2.0? Schämt Euch! Bitte recht freundlich zu Senioren im Netz.

Manchmal habe ich den Eindruck, als ob die jungen Leute das Internet lieber für sich allein behalten wollen. Die Nachricht über die vermehrte Anwesenheit von US- Senioren auf Facebook wird bei uns mit den Worten stürmen, entern und erobern beschrieben und löst anscheinend Fluchtreflexe der Jüngeren aus. Senioren sind doch keine Kampftruppe. Ich hätte lieber gelesen: Schön, dass Ihr auch da seid.

Familie

Über Mamas Peinlichkeiten auf WhatsApp und Papas Probleme am PC wird im Netz genüsslich gefeixt. Aber wehe, wir würden erzählen, wie das Kinderzimmer eine Zeitlang mit Postern der Backstreet Boys aus der Bravo zugepflastert war oder wie vor Feten stundenlang im Spiegel coole Grimassen geübt wurden.

Es reicht es nicht aus, von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Maßnahmen zur Steigerung der Digitalkompetenz in Deutschland zu fordern oder ein paar Senioren-Technik-Botschafter durch die Lande zu schicken. Schön wäre bei jüngeren Onlinern auch eine freundlichere Willkommenskultur, wenn Ältere auf Entdeckungsreise ins Internet gehen.

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Familienleben 2.0. Ganzjährig. Nicht halb so anstrengend wie im echten Leben.

Es wundert mich gar nicht: Immer mehr ältere Menschen freunden sich mit sozialen Netzwerken an. Sie sind eine tolle Möglichkeit, das ganze Jahr über auch mit Kindern und Verwandten in der Ferne in Kontakt zu bleiben. Aber wie finden die Kinder das? Ich habe bei meiner Tochter Carline (29) nachgefragt, mit der ich seit über einem Jahr unter anderem auf Twitter, Facebook und über unsere Blogs verbandelt bin. Fazit: Ohne peinliches Beeltern ist eine ganz neue Mutter-Tochter-Beziehung möglich.

Liebesschlösser

Das Gefühl, dass ich als Mutter nun alles mitlesen und kommentieren kann, war für meine Tochter nur im ersten Moment komisch:

Weil wir Kinder das einfach nicht gewohnt sind. Weil das Internet so lange unser Ding war. Dabei sind Eltern im Internet nicht halb so anstrengend wie im echten Leben. Oft sind sie sogar ziemlich witzig. Vielleicht ist bemuttern ein klares Offline-Verhalten.

Ich mache online überwiegend mein eigenes Ding, aber es ist natürlich schön, durch die Vernetzung so unkompliziert am Leben meiner erwachsenen Tochter teilzunehmen, ohne ihr auf den Wecker zu gehen. Carline kommt damit klar:

Das Spannende ist ja: Wenn im Internet das Bemuttern wegfällt, lösen sich auch viele typische Mutter-Tochter-Dynamiken in Luft auf. Und plötzlich sieht man viel mehr Mensch hinter der Mutter: So sieht sie die Welt, so geht sie mit anderen um, so reagieren Fremde auf sie. Es ist nicht zu viel Mutter, weil im Internet so viel Mutter gar nicht übrig bleibt.

Ein schöner Nebeneffekt des Vernetzens: Online geht schneller. Wie-geht-es-Dir-Telefonate kommen ja doch immer zu einer unpassenden Zeit, und auf Briefe oder E-Mails bekomme ich oft tagelang keine Antwort. Meine Tochter erklärt mir, warum das so ist: 

Pure Bequemlichkeit! Soziale Netzwerke begleiten mich durch den ganzen Tag. Das Beantworten von Twitter- oder Facebooknachrichten gehört irgendwie dazu. Das mache ich so nebenbei. Bei einem Brief oder einer Email – selbst bei einem Rückruf – ist es so, als müsste ich Anlauf nehmen. Als müsste ich meinen Alltag kurz unterbrechen. Das fühlt sich deutlich stärker nach Pflicht an, als Dir schnell bei Facebook oder Twitter zu antworten. 

Aus meinen als Blogpost geplanten Fragen ist ein Cross-Interview für Bild Online geworden. Carline ist dort nach ihrer Ausbildung an der Axel Springer Akademie als Social Media Editor aktiv und hat die Geschichte gekapert.

Hier meine Fragen an Tochter Carline: „Möchtest Du mit mir befreundet sein, Kind?“

Und hier die Fragen von Carline an ihre Mutter: „Bin ich dir bei Facebook peinlich, Mama?“

Vernetzung zwischen Mutter und Tochter. Läuft.

Ist das Kunst oder kann das weg? #Keller #Fundstück pic.twitter.com/tmPPXKl0Y0

 

Links:

Ältere Menschen registrieren sich aus anderen Gründen als jüngere auf Facebook: Hauptgrund für die Nutzung von Facebook ist nicht, wie bei den meisten Jugendlichen, sich mit Freunden zu verbinden, sondern der Wunsch mit der Familie in Kontakt zu bleiben. Sonja Heide | Gründerszene

Gut zwei Drittel aller Internetnutzer zwischen 50 und 64 Jahren (68 Prozent) sind bei mindestens einem sozialen Netzwerk angemeldet. 2011 waren es erst 60 Prozent. Bitkom

Das Netz braucht auch internetfähige Omas. Silvernerd

Ich erkläre Opa das Internet und er mir die Welt. Oder andersherum? Charlotte Haunhorst

Hier bloggt Carline Mohrenpost

Tumblr für meine Eintagsmomente und die neue Lust am Bildermachen.

Es ist keine Kunst, in der Fremde teilenswerte Bilder zu machen. Im Alltag scheint es schwieriger, Motivvielfalt zu entdecken. Dabei hat man nur das Sehen verlernt. Seit ich Tumblr als Plattform für meine Fotos entdeckt habe, bin ich aufmerksamer geworden und achte bewusster auf die kleinen Eintagsmomente.

Sommerfest

Farbenfroh bekränzt zum #Sommerfest. #Vorgebirge 16.06.2013

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Vernetzen ja. Nackte Männer nein. Silversurfer verlässt Facebook.

Drachen

Ostern hatte Elisabeth* die Nase voll: Nackte Männer als Häschen verkleidet im Gras und ein Bierglas mit Frauenbrüsten. Unangenehme Facebookfreunde hatte sie vereinzelt zwar schon vorher entfreundet, nun aber verabschiedete sie sich komplett aus dem Netzwerk. Und das hat nichts mit ihrem Alter zu tun. Elisabeth ist 63 Jahre alt.

Was die Leute so exhibitionistisch aus sich herauswürgen, ist mir unendlich auf den Keks gegangen. Damit will ich mich nicht beschäftigen.

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