Du zuerst. Nein Du! Auf die Frage, wie die neuen Medien in die alten Menschen kommen, kann es nur eine Antwort geben: Wir brauchen Bewegung auf beiden Seiten des digitalen Grabens. Lernbereitschaft und Neugier bei Offlinern, Impulse und Hilfsbereitschaft durch Onliner. Für alle Beteiligten gilt: Machen. Machen. Machen. Ansätze dafür gibt es genug.
Wir kommen mit der Digitalisierung der Gesellschaft nicht weiter, wenn wir älteren Menschen keine nachhaltigen Brücken bauen. Die Offliner, die Skeptiker, die Technikverzweifler unter ihnen brauchen sinnvolle Angebote und familiäre Unterstützung, um den Mehrwert digitaler Technologien für sich zu erkennen und ihre Nutzung zu erlernen.
Kölner Wissenschaftsrunde diskutiert im Kiosk
Wie kommen die neuen Medien in die alten Menschen? Warum ist das wichtig? Mit dieser Fragestellung beteiligten sich die Professoren Marlis Prinzing und Christof Breidenich von der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation am Themenjahr der Kölner Wissenschaftsrunde „Älter – Bunter – Kölner“. Dabei geht es darum, den Austausch zwischen Wissenschaft und Bevölkerung zu fördern und sich gemeinsam dem Fragen und Herausforderungen einer zunehmend älteren und bunteren Gesellschaft zu widmen. Als Diskussionsort wählten die Professoren deshalb einen Kölner Kiosk.
Meine 5 Cent zur Diskussion, zu der ich als Gesprächspartner eingeladen war.
Was Onliner tun können, damit die neuen Medien in die alten Menschen kommen:
- Vermittelt älteren Menschen, dass das Internet mehr kann als E-Mail, Suchmaschine und Banking.
- Ködert Sie mit Skype und sozialen Netzwerken, damit sie den Kontakt zu Kindern und Enkeln nicht verlieren und ermuntert sie zum Mitmachen.
- Packt Sie bei ihren eigenen Interessen und zeigt ihnen, wie sie das Internet für Hobby, Ehrenamt und gesellschaftliches Engagement nutzen können.
- Übernehmt bereitwillig Verantwortung für die Medienerziehung der Eltern und Großeltern und spart Euch blöde Muddawitze.
- Schenkt ihnen Eure ausrangierten Smartphones und Tablets und weist sie ein. Familientreffen werden garantiert lustiger, weiß Johnny Haeusler.
- Meckert nicht herum, wenn Euch Panikanrufe nerven. Die Computer- und Internetkenntnisse in der älteren Generation sind halt schlecht. Gemäß der ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 schätzen 50 Prozent der 50-69jährigen ihre Internetkenntnisse als weniger gut bis gar nicht gut ein, in der Altersgruppe 70plus sind es 70 Prozent.
- Bemüht Euch um eine freundliche Willkommenskultur. Irgendwann machen auch ältere Menschen im Netz ihr eigenes Ding.
- Fangt in Eurer Familie an. Wenn wir nicht einmal Familie 2.0 ans Laufen kriegen, schließt sich der digitale Graben doch nie.
Das können Offliner für sich selbst tun:
- Zeigt ein Minimum an Neugier und Lernbereitschaft.
- Fragt Eure Kinder Löcher in den Bauch.
- Bucht Kurse, sucht Euch Nachhilfe in der Nachbarschaft.
- Informiert Euch über Apps, die Euch das Leben erleichtern.
- Nutzt pfiffige Lösungen, wenn Euch ein Smartphone zu fummelig ist. Ein israelisches Start-Up Unternehmen zum Beispiel hat ein einfaches und intuitives Interface entwickelt und die Smartphone-Technologie so angepasst, dass sie die Wünsche und Bedürfnisse von Senioren erfüllt.
- Ärgert Euch nicht länger über Eure Computer. Steigt auf intuitiv bedienbare Geräte um. Ein Tablet kann die Lösung aller Probleme sein, wie Daniel Fürg gerade bei seinem 80 (!) Jahre alten Großvater erlebt hat.
- Seid mutig. Das Zauberwort heißt ausprobieren.
- Werft Eure Kassettenrekorder weg.

In der Generation 65plus nutzen laut Bitkom noch 43 Prozent einen Kassettenrekord, nur zehn Prozent haben ein Tablet
Das könnten Politik und Gesellschaft tun, damit die neuen Medien in die alten Menschen kommen:
- Baut Altersdiskrimierung ab und sorgt für verständliche Gebrauchsanweisungen in großer Schrift und ohne Denglisch.
- Verzichtet auf globale Seniorenkurse „Keine Angst vor Computer und Internet“. Schafft mehr kleinteilige Angebote, die sofort nützlich sind: Wie telefoniere ich mit Skype? Wie funktioniert ein E-Reader? Wie gehe ich mit einem Tablet um?
- Unterstützt Büchereien, Volkshochschulen, Kirchengemeinden und Computerclubs mit Zuschüssen für seniorengerechte Kurse.
- Bildet Multiplikatoren aus. Diesen Weg ist beispielsweise die Altenpastoral im Erzbistum Köln gegangen und bietet in diesem Jahr seinen Ehrenamtlichen in der Seniorenarbeit Kurse an: „So geht vernetzen im Internet.“
Warum es wichtig ist, dass die neuen Medien in die alten Menschen kommen:
- Vernetzung schützt vor Vereinsamung im Alter.
- Soziale Netzwerke halten den generationsübergreifenden Dialog aufrecht.
- Interessen und Hobbys können online weiter gepflegt werden, wenn man im Alter nicht mehr mobil ist oder der Freundeskreis kleiner geworden ist.
- Digitale Technologien fördern den Erhalt der Selbstständigkeit im Alter auch bei Immobilität und Demenz; vorausgesetzt, man hat gelernt damit umzugehen. Forscher und Entwickler arbeiten jedenfalls fleißig an zukunftsfähigen Lösungen – vom Arzneiwecker über Tools für die häusliche Pflege bis zum Demenztablet, das den verlegten Haustürschlüssel wiederfindet.
@Horst Sievers: Ich rede in dem Fall immer von „Bedürfnis-Expansion“, bzw. bei „Senioren“- oder „Billig“-Geräten von „Bedürfnis-Entwicklungs“-Geräten. Dann muss halt beim Kauf schon klar sein, dass das eine Anschaffung für einen kleineren Zeitraum ist.
Für die „Warum es wichtig ist, dass die neuen Medien in die alten Menschen kommen:“-Liste, würde ich gerne noch ein paar Punkte ergänzen:
5. Mehr Unterstützer/innen bei digitalen Petitionen!
6. Mehr Aktivist/innen bei Online-Demonstrationen.
7. Mehr Wissen! Wenn nur 25% der Renter/innen Ihr Wissen auf Blogs, Wikipedia etc. teilen, wächst unser Archiv ins Unermessliche 🙂
8. Leichter erreichbar. Egal ob für einen Verein oder ein Unternehmen. Per Social Media oder E-Mail zu Veranstaltungen etc. einladen zu können, minimiert nicht nur Kosten, sondern trägt auch der Flexibilität unserer Zeit Rechnung. Weniger Gänge umsonst, weil mal was ausfällt. Mehr Veranstaltungen, weil man sie mitkriegt. Gerade Vereine können sich häufig großartige Printwerbung nicht leisten und dabei haben gerade diese das bunteste Programm.
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Da stecken viele gute Ideen drin. Bei dem speziellen Smartphone für Senioren möchte ich aber leichte Zweifel anmelden. Ich beobachte diese Scene seit Jahren und habe Misserfolge von Senioren-PCs, unglückliche Versuche mit „normalen Handies“ – also keinen Smartphones – erlebt. Zur Zeit gibt es auch einen Versuch in Dresden mit einem Android-Tablet. M.E. scheitern diese Ansätze daran, dass der Senior – wenn er denn so ein Gerät nutzt – spätestens nach 1 Jahr die Grenzen der Spezial-Version erkennt und sie nicht mehr nutzen möchte.
Mir scheint, es hilft mehr, wenn Helfer die Standard-Geräte von zunächst „überflüssigen“ Apps bereinigen oder diese in spezielle Ordner oder spezielle Seiten der Oberfläche „verbannen“. Auf Android-Geräten kann man die verbleibenden zunächst wichtigsten Apps übersichtlich verteilt anordnen und dann schrittweise um die „verbannten“ ergänzen. Das hat auch den Vorteil, dass die Helfer bei Fragen schneller reagieren können, da ihnen die Apps ja vertraut sind.