Manchmal habe ich den Eindruck, als ob die jungen Leute das Internet lieber für sich allein behalten wollen. Die Nachricht über die vermehrte Anwesenheit von US- Senioren auf Facebook wird bei uns mit den Worten stürmen, entern und erobern beschrieben und löst anscheinend Fluchtreflexe der Jüngeren aus. Senioren sind doch keine Kampftruppe. Ich hätte lieber gelesen: Schön, dass Ihr auch da seid.
Über Mamas Peinlichkeiten auf WhatsApp und Papas Probleme am PC wird im Netz genüsslich gefeixt. Aber wehe, wir würden erzählen, wie das Kinderzimmer eine Zeitlang mit Postern der Backstreet Boys aus der Bravo zugepflastert war oder wie vor Feten stundenlang im Spiegel coole Grimassen geübt wurden.
Es reicht es nicht aus, von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Maßnahmen zur Steigerung der Digitalkompetenz in Deutschland zu fordern oder ein paar Senioren-Technik-Botschafter durch die Lande zu schicken. Schön wäre bei jüngeren Onlinern auch eine freundlichere Willkommenskultur, wenn Ältere auf Entdeckungsreise ins Internet gehen.
Wir Eltern hatten Verständnis für vollgepinkelte Hosen, eine Haftpflichtversicherung für zerdepperte Fensterscheiben und eine Engelsgeduld beim Abhören von Vokabeln. Umgekehrt finde ich nichts verkehrt daran, dass Ältere von den Jüngeren lernen müssen und wollen. Ja, ich habe wenig Ahnung von der Konfiguration eines Routers. Aber ich habe als Mutter damals aus versemmelten Mathearbeiten auch kein Drama gemacht.
Familie ist nicht auf Dauer uncool
Die Abgrenzung von Eltern und Großeltern ist sicherlich eine Altersfrage. Dass Kinder und Jugendliche unter sich bleiben wollen, ist normal, und das Ausweichen in andere Netzwerke verständlich. Heranwachsende Kinder brauchen ihren eigenen Rückzugsraum.
Doch Familie ist nicht auf Dauer uncool. Aus Kindern werden Erwachsene und Eltern; Familie bekommt einen anderen Stellenwert. Wenn die Chemie stimmt, ermöglicht Vernetzung, von mir aus beispielsweise auf Facebook, eine unkomplizierte Teilhabe am Leben von Familienmitgliedern.
Langfristig wird sich der Einsatz jüngerer Onliner für ihre Eltern und Großeltern auszahlen. Je besser sich Ältere auch in sozialen Netzwerken zurechtfinden, desto selbstständiger werden sie dort nach und nach ihr eigenes Ding machen. Je stärker sie von ihren Kindern bei der Aneignung von Digitalkompetenz unterstützt werden, desto sicherer werden sie im Alter eines Tages von Technologien profitieren, die den Erhalt ihrer Selbstständigkeit fördern.
Familie 2.0. Bitte recht freundlich. Doch, doch. Das geht.
Links:
Björn Tantau: Warum Senioren Facebook entern
BASICthinking: Die „Silver-Generation“ erobert Facebook
Spiegel: Alterndes Netzwerk: Senioren stürmen Facebook
Buzzfeed: Durch diese 9 Phasen gehst Du, wenn Deine Mutter WhatsApp hat
D21-Digital-Index 2014: Entwicklung des Digitalisierungsgrads der deutschen Bevölkerung
Ilse Mohr: Ach, Oma. Dafür gibt es doch eine App. Was die neue ARD/ZDF-Onlinestudie uns lehrt.
Oh, wie wahr und wie recht du hast. Auch, wenn ich so manches Mal genervt bin von den Anrufen meines Vaters (80), weil ich ihn nicht verstehe (Bine, wie ist mein Passwort für das Internet? – und er damit seinen Email Account meint), am Ende finde ich es doch schön, dass er sich damit beschäftigt und via Facebook nun auch auf dem Laufenden ist, was mit Tochter und Enkelin in Italien so los ist.
Und meine Mutter (wird im Oktober 80) möchte sich jetzt ein Tablet anschaffen, damit auch sie mal die Möglichkeit hat, online zu sein – der PC wird von meinem Vater blockiert.